Auf einen Blick

  • Kinder lernen, indem in ihrem Gehirn sogenannte „neuronale Verbindungen“ entstehen.
  • Je häufiger diese Verbindungen benutzt werden, desto stärker werden sie. Das ist der Grund, warum Kinder eine Sache besser und besser können, wenn sie diese regelmäßig wiederholen.
  • Kinder durchlaufen verschiedene Entwicklungsphasen und erlernen dabei in jeder Phase neue Möglichkeiten des Denkens.

Kinder entwickeln ihre Fähigkeiten genauso, wie man ein Haus baut. Zuerst beginnt man bei der Grundlage, dem Fundament.Was in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen darauf errichtet wird, bestimmt, wie das Haus später aussehen und wie man von Raum zu Raum gelangen wird.

Hier finden Sie die wichtigsten Kernaussagen darüber, wie Kinder lernen und ihre Fähigkeiten entwickeln. Und bedenken Sie …, wenn Sie sich um die Entwicklung Ihres Kindes sorgen, gibt es viele Lern- und Lehrmethoden, die ihm individuell helfen können.

Wie neuronale Verbindungen funktionieren

Jede neuronale Verbindung ist Teil eines Netzwerks, ähnlich wie ein Schaltkreis. Wenn Elektrizität durch den Schaltkreis fließt, löst das eine Reaktion aus, z.B. betätigen Sie einen Lichtschalter, und das Licht geht an. Einige dieser Schaltkreise, wie die für das Atmen oder den Blutkreislauf, sind schon bei der Geburt vollständig entwickelt.

Andere Schaltkreise sind „tätigkeitsabhängig“. Sie müssen erst durch etwas angeregt werden, und je öfter das passiert, desto besser funktionieren sie. Dies ist deutlich komplizierter, als einfach einen Schalter umzulegen. Das Kind muss dafür eine Menge an Erfahrungen sammeln. Durch den Einsatz der Sinne, dem Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken von Dingen, stößt das Gehirn „Neurotransmitter“ aus, die den Schaltkreis anregen.

Verbindungen verlernen

Nutzt man neuronale Verbindungen häufig, werden sie stärker. Nutzt man sie kaum oder gar nicht, werden sie schwächer und verschwinden irgendwann ganz, man „verlernt“ etwas. Das ist kein Problem – junge Kinder haben mehr neuronale Netzwerke als sie brauchen. Die gesamte Kindheit lang und auch im Erwachsenenalter „verlernen“ wir Fähigkeiten. Bei Kindern führt es dazu, dass das Gehirn flexibel genug ist, um immer wieder neue Netzwerke zu bilden und die Verbindungen zu stärken, die am meisten genutzt werden. Dies nennt man „Formbarkeit“ oder „Plastizität“.

Lernen durch Sprache

Im Alter zwischen 2 und 7 Jahren startet die Sprachentwicklung und das Kind lernt neue Worte, baut kompliziertere Sätze und beginnt zu lesen. Dies ist ein kritischer Zeitpunkt, um Kindern eine Umwelt zu bieten, die reich an Sprache ist. Je mehr Wörter und Ideen das Kind früh kennenlernt, desto mehr neuronale Netzwerke kann es entwickeln.

Kinder können nun Objekte benutzen und viel fantasievoller spielen. Sie werden z.B. beobachten, wie Ihr Kind einen Besen reitet, als sei er ein Pferd, oder eine Kiste in ein Raumschiff verwandelt. Soziale Fähigkeiten entwickeln sich in dieser Phase noch langsam, denn das Kind kann keine Logik verstehen, keine Schlüsse ziehen und nicht die Perspektive anderer einnehmen. Oft haben sie Schwierigkeiten, sich in andere Personen hineinzuversetzen und stehen den Entscheidungen und dem Verhalten anderer Kinder kritisch gegenüber.

Das Gehirn verdrahten

Jede Gehirnzelle (Neuron) sieht aus wie ein kleiner, gerade gepflanzter Baum. Wenn Säuglinge Informationen aus ihrer Umwelt aufnehmen, wachsen die Äste des Neurons und bilden Verbindungen mit anderen Neuronen. Diese nennt man „neuronale Verbindungen“ und sie funktionieren wie ein elektrisches Leitungsnetz. Jedes Neuron kann sich mit mehreren anderen Neuronen verbinden.

Die „Drähte“ dieser neuronalen Schaltkreise berühren sich nicht. Die Informationen werden an den kleinen Lücken zwischen den Neuronen weitergegeben, den „Synapsen“. Das Gehirn entsendet Botenstoffe, die „Neurotransmitter“, die den Schaltkreis antreiben und helfen, die Informationen zu transportieren.

Die Macht der Plastizität

Plastizität ist vor allem für Kinder mit Lern- und Aufmerksamkeitsdefiziten wichtig. Ihre Gehirne verarbeiten Informationen anders, weil ihre neuronalen Netze die Botenstoffe des Gehirns nur ineffektiv einsetzen können. Daher fällt es ihnen schwerer, neuronale Verbindungen zu stärken oder überhaupt erst zu erstellen.

Dass man Kindern dennoch alternative Möglichkeiten, Informationen zu verarbeiten, beibringen kann, ist ein Vorteil der Plastizität. Sie hilft Neuronen, neue Verbindungen zu erstellen. Die Informationen müssen möglicherweise einen Umweg nehmen und brauchen etwas länger, aber sie kommen dort an, wo sie ankommen sollen.

Lernen durch Sinne

Kinder müssen nicht darüber nachdenken, ihre neuronalen Netzwerke zu entwickeln. Es passiert von alleine, wenn sie die Welt entdecken und über sie lernen. Der Schweizer Psychologe Jean Piget entwickelte eine berühmte Theorie zur Entwickelung von kognitiven Fähigkeiten bei Kindern. In der ersten Phase nutzen Säuglinge ihre Sinne – Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken – um Verbindungen im Hirn herzustellen. Sie schmecken, schütteln und werfen Gegenstände. Sie beginnen ebenfalls, zu rollen, nach Objekten zu greifen, und irgendwann auch, zu krabbeln und zu gehen.

All diese Tätigkeiten helfen dabei, neuronale Verbindungen aufzubauen, die Dinge wie Bewegung, Sicht und Sprachentwicklung kontrollieren. Ein Säugling macht beispielsweise Geräusche, die ihm die Aufmerksamkeit verschaffen, die es braucht. Sachen, die gut schmecken, nimmt er immer wieder in den Mund und er bewegt sich an Orte, die er sehen will. Während er all das tut, stärkt der Säugling seine neuronalen Netzwerke und macht sich die Aktivitäten dadurch leichter.

Lernen durch Denken

Als Teenager beginnen Kinder, abstrakter und komplexer zu denken. Sie betrachten viele Aspekte einer Situation gleichzeitig, um ihre möglichen Ausgänge zu erahnen. In der Schule zeigt sich das dadurch, dass sie komplexe mathematische Probleme lösen können und Charaktere und Handlungen besser verstehen, wenn sie etwas lesen.

Im Umgang mit anderen Menschen hilft diese neue Fähigkeit zu erkennen, dass die Reaktionen anderer auf sie oft in anderen Perspektiven und Erfahrungen begründet sind. Körperlich können sie verschiedene Fähigkeiten zusammen benutzen, um komplizierte Tätigkeiten wie Autofahren auszuführen. Das Leitungsnetz im Gehirn wird immer verworrener, ganze Netzwerke verbinden sich miteinander und untereinander und erlauben es, dass alle Fähigkeiten gemeinsam und gleichzeitig genutzt werden können.